Johanna Schubart Die
Begeisterung
um
1800
Das Herz, es weiß sich lange nicht zu finden,
Wenn die Begeist’rung liebend es umfahet
Und sie mit ihrem Flammenhauche nahet,
Ein neues Seyn im Busen zu begründen.
Der Sterne Bild, es mußt’ dem Aug’ entschwinden,
Wenn nach der Sonn’ ihr heißen Blickes sahet.
Das ganze All mit freud’gem Gruß bejahet
Der Seelenkräfte loderndes Entzünden.
O selig, wer empfand dieß Gluthumfangen
In seines Busens tiefgeheimsten Tiefen,
Wo seine Kräfte macht- und reglos schliefen,
Eh’ unaufhaltsam sie zum Lichte drangen!
Begeistrung, du der Sterne höh’res Ahnen,
Trag’ mich im Sturm auf sonnenhelle Bahnen!
Johanna Schubart Das
erste Lied
um
1800
Ein Jahr ist’s, seit das erste Lied erklungen,
Ein Jahr, daß eine Thrän’ es reich mir lohnte.
O Lust, die nun in meinem Herzen wohnte,
Seit deine Hand die meine fest umschlungen!
Von sanftem Fühlen ward mein Herz bezwungen.
Und da in dir das Zarte gern ich schonte;
Die rauhen Worte weicher ich betonte,
Daß sie verletztend nimmer dich durchdrungen.
Und so ist es seit dieser Zeit noch immer;
In deiner Näh’ umweht mich stiller Friede,
Und dringt mir in die Brust wie Frührothschimmer.
Denn liegt der große Raum von einem Jahre
Auch trennend zwischen diesem kleinen Liede,
So bleibt Erinn’rung doch, die ewigklare!
Johanna Schubart Unter
ihrem Fenster
um
1800
Wie oft stand ich hier stille, um zu lauschen
Den süßen Tönen, die herab erklungen
Und tief mir in das warme Herz gedrungen
Wie eines frommen Friedens heil’ges Rauschen!
Könnt’ ich mir wieder solche Wonnen tauschen!
O holder Zauber der Erinnerungen,
Wo ihrer schönen Stimme, sanft verschlungen
In Melodie’n, ich ungestört durft’ lauschen!
Bald war es ein wehmüthigsüßes Tönen,
Und bald der Ausdruck von geheimen Leiden,
Und bald des Scherzes heiteres Verschönen.
Wann wird wohl solche Zeit mir wiederkommen?
Sey ruhig, Herz, und lasse dich bedeuten,
Und sing ein Lied, wenn du recht schwer beklommen!
Johanna Schubart An
Madame Schröder
um
1800 als
Johanna von Montfaucon
Was in der Kunst ich Großes oft mir dachte,
Was meine Phantasie von Idealen
In kühnen Bildern nur sich konnte malen,
Das Deine Kunst zu lichter Wahrheit machte.
Die Gluth, die Musengunst in Dir entfachte,
Drang aus der Gattin Brust wie Sonnenstrahlen
In Lieb’ und Haß, in Angst und Mutterqualen
Wie in der Heldenthat, die sie vollbrachte.
Und raschen Flug’s fühlt’ ich mich fortgerissen,
Bewältigt von dem Strome Deiner Rede,
Von Deines Feuergeistes mächt’gem Walten.
Daß in der Kunst Dir klar das höchste Wissen,
(Mir war’s, als ob Dich Götterkraft durchwehte),
Bezeugte Deiner Meisterschaft Entfalten!
um
1800
1.
Was für ein Zauber mir die Brust durchziehet,
Kann nimmermehr in schlichte Red’ ich fassen.
Mag tausendmal der Sonne Licht erblassen,
Die Flamme meiner Sehnsucht nicht verglühet.
Hin nach dem Land, wo ew’ger Frühling blühet,
Wo mild’re Lüfte alles Rauhe hassen,
Drängt stets mein Fühlen, will von mir nicht lassen.
Zu ihm das Herz im Busen mir entfliehet.
Italia, wo sanft’re Sterne blinken,
Der reinste Aether auf die Fluren lächelt,
Der Zephyr kosend Wang’ und Nacken fächelt,
Italia, in deine Arme sinken
Möcht’ ich mit meinem flammenheißen Sehnen
Mit meiner Träume paradies’gem Wähnen!
2.
Wenn Phantasie den Schleier weggezogen,
In welchen meiner Träume Land gehüllet,
Ist’s, als ob dunkler Nacht ein Strahl entquillet,
Der leuchtend aufblitzt an dem Himmelsbogen.
Ein süßer Wahn, wie bald ist er entflogen
Als holder Traum, der keine Sehnsucht stillet,
Der nur geheimnißvoll die Brust erfüllet
Mit seiner Lust und seinem Schmerzeswogen!
Dort, wo der Lorber zwischen Myrthen strebet
Den lauen Zephyr schmeichelnd zu umfahen,
Dort lacht der Himmel stets in heit’rer Bläue
Und in der ew’gen Jugend wahren Treue.
Was heißersehnt mich immer so durchbebet,
O könnt’ ich dem gelobten Land doch nahen!
3.
Wann werd’ ich die Campagnia wohl durcheilen,
Sehnsüchtig nach Sankt Peters Kuppel sehen,
Wann Südluft mich mit lindem Duft umwehen,
Wann wird mein Blick auf den Ruinen weilen
Und meiner Träume süßes Sehnen theilen?
Wann wird vor’m Auge der Sorakt mir stehen,
Wann werd’ ich Tibur’s ew’gen Reiz erspähen,
Und mir die Seele, selig schwelgend, heilen?
Wann wird wohl der Vesuv von mir erstiegen,
Wann mich das Meer auf seiner Fläche wiegen,
Bald stürmisch wogend und bald spiegelglatt?
Nur einmal, einmal möcht’ Hesperiens Auen
In ihrer alten Herrlichkeit ich schauen
Und wandeln in der alten Römerstadt!
Johanna Schubart Vor
einer italienischen Landschaft
um
1800 (Tivoli
von Friedrich Rehberg)
Mir ist, als athm’ ich schon die Luft des Süden.
So weich, so warm empfind’ ich ihre Reine.
In solcher Welt ist Leben auch im Steine,
Wie in dem süßen Duft der zarten Blüthen.
Als ob hier and’re heiß’re Sonnen glühten,
Das Schönste aller Zonen sich vereine;
So, prangend in des Tages goldnem Scheine,
Will alles mir die höchste Wonne bieten.
Hoch oben herrscht der Vesta heil’ger Tempel,
Und tief hier unten rauschen wild die Wogen
Hin neben Trümmern kühner Römerbogen.
Italia, du prägtest deine Stämpel
Mit unnennbarem Reize diesem Bilde
In ernster Hoheit auf, in süßer Milde!
Johanna Schubart An
eine geistreiche Schöne
um
1800
Wem so der Schöpfer das Vollendungssiegel
Auf’s Antlitz mit der Schönheit Zügen prägt,
Daß jedes Herz bei solchem Anblick schlägt;
Dem zeigt sich ungetrübt des Lebens Spiegel.
Dir hat Natur gelöst den Zauberriegel,
Den vor das Ideale sie gelegt.
Wohin dein heitrer, klarer Sinn dich trägt:
Der Schönheit reicht die Welt den Herrscherzügel.
Denn wo sich Geist der Schönheit eng verbündet,
Wo Aug’ und Antlitz seinen Stämpel tragen
Und jedes Wort von seinem Feuer zeugt,
Wo sich der Anmuth Zaubermacht begründet;
Da darf wohl auch der freie Geist es sagen,
Daß er sich willig solcher Schönheit beugt!
Johanna Schubart An
eine schweigende Dulderin
um
1800
Dein weiches Herz verstehet wohl die Lieder,
Die aus der tiefsten Seele mir entquellen.
Ob Lust dazu, ob Leid die Brust mir schwellen,
Ich gebe nur, was ich empfunden, wieder.
Die Poesie mit leuchtendem Gefieder,
Wohl werth, das düstre Leben zu erhellen,
Wenn Schmerzen unser ganzes Seyn vergällen,
Sie schlingt um Herzen süße Blumenglieder.
Ein linder Balsam ist’s für wunde Seelen,
Zu fühlen, daß auch Andere gelitten,
Was sie so strenge fremden Blick verhehlen.
Wer selbst in schwerem Kampfe mitgestritten
Und Alles dieß in eigner Brust empfunden,
Der sieht auch fremde, tiefverhüllte Wunden!
Johanna Schubart Der
Minervenkopf
um
1800
In den weiten, reichgeschmückten Hallen
Herrschte rings ein feierliches Schweigen,
Ganz der hohen ernsten Göttin eigen,
Die vor andern Göttern mir gefallen.
In den reinen Formen sich vor Allen
Holde Würde, sanfte Reize zeigen,
Die zu strenger Lieblichkeit sich neigen,
Mit der Weisheit Hand in Hand zu wallen.
Lange stand im Anschau’n ich versunken;
Denn die Vorwelt schien sich aufzuschließen.
Blick und Geist und Seele waren trunken,
Daß solch Meisterwerk sie sich erkiesen.
Hohe Göttin! bat ich innig leise,
Immer lehre mich das Schöne, Weise!